Camille: Ich hab mir so ein Ding gekauft heute
morgen ... !
Paul: Was für ein Ding?
[längere Pause]
Paul [nachdrücklich]: Was für ein Ding?
Nackt und nass
sprang Archimedes aus seiner Badewanne und lief sodann – lauthals „Heureka!“ rufend – durch
die Straßen von Syrakus. Gefunden hatte er in seiner Wanne der
Legende nach das nach ihm benannte Prinzip, dessen Gesetz und Theorie
er später in seiner Schrift Über schwimmende Körper
niederlegte, was ihn zum Vater der Hydrostatik werden ließ. Eine
Geschichte, die bis dato gerne von einigen Schulmeistern der Physik
zur Unterrichtsauflockerung benutzt wird. Ist nun auch nicht gleich
jeder schwimmende Körper ein badender, so wird doch eines deutlich:
Man kann nicht nur in einer Wanne anderes tun als baden, sondern
auch mit ihr anderes anstellen.
Letzteres bezeugt sich neuerdings eindrücklich durch die von
Peter Pilz unter dem Titel „Baden verboten!“ versammelten
Bank/Wannen. Die Halbschachtel einer Wanne wird mit Schnitten so
versehen, dass diese zu Scharnieren werden, entlang derer dann die
Halbschachtel neu zur Sitzbank gefaltet und zusammengesetzt wird.
Im Speziellen sind diese Bank/Wannen nun sozusagen Berliner Modelle
oder zumindest solche, die irgendwann hier ihre frühere Funktion
erfüllten und nun einer neuen zugeführt werden. Eine Serie
von sechs Stücken, die von Erik Tannhäuser in seiner Werkstatt
in Weißensee nach exakten Vorgaben hergestellt wurden. Lackiert
mit dem Mitsubishi-Autolack Nassau-Orange. Das klingt nach saftiger
Frucht und exotischem Luxus. Ganz unschuldig und wahrscheinlich ungewollt
spielt es auch auf etwas an, das mit dem Wort „nassauern“ verbunden
ist. Vorgeben etwas zu sein, was man nicht ist und daraus Nutzen
ziehen. Hinterhältige Absicht trifft für die Bank/Wannen
freilich nicht zu, ziehen sie selbst doch gar keinen Nutzen aus ihrem
Hier- und So-Sein; wir hingegen – als Nutzer (Sitzer oder Besitzer)
oder Betrachter – einen umso größeren. Bei all dem
handelt es sich darüber hinaus auch keineswegs um eine Zweckentfremdung,
wie dies bei der Verwendung von Badewannen als Viehtränken in
geringem, bei der ungefragten Verwendung einer Beuysschen Badewanne
etwa als Bierflaschenkühler für den Leverkusener SPD-Kreisverband
in hohem Maße gilt. Es handelt sich um eine ironische Umwidmung.
Warum aber „ironisch“?
Unsere Berliner Modelle haben und hatten also zweifellos Funktionen.
Die Bank/Wannen sind keine Hybridobjekte, wie zum Beispiel eine
ausziehbare Bettcouch. Ihr Charme besteht gerade darin, dass sie
ihre Vergangenheit (das, was sie einstmals waren) nicht verleugnen,
sondern weiterhin unverhohlen in ihrer nunmehrigen Gestalt zur
Schau stellen. Ein so offener Umgang mit der eigenen Ambivalenz
verunsichert ein bisschen und man zögert, der Einladung Platz zu nehmen sofort und ohne
Umschweife nachzukommen. Dabei ist der Funktionswechsel (... eine
Badewanne ist zum Baden da, eine Bank zum Sitzen ...) eher nebensächlich
und vielleicht gar nur für Designer von Interesse. Was uns hier
handgreiflich vor Augen geführt wird, ist eine Transformation
der Fassung, ihr Kippen. Die Bank/Wannen der Serie „Baden verboten!“ sind
keine Kippbilder (sie sind Wannen als Bänke), evozieren aber
solche durch ihre und in unserer Vorstellung. Solchen Kippbildern
wurden nicht zuletzt von Ludwig Wittgenstein und Wilfred R. Bion
die höheren philosophischen Weihen erteilt. Einerseits bleiben
sie in erkenntnistheoretischer Hinsicht und auf gleichnishafte Weise
rätselhaft, zum anderen sind sie uns wohlbekannt. Zu den berühmten
Beispielen gehören das Hasen-/Entenkopf-Bild von Jastrow, das
Vasen-/Gesichtsbild nach Rubin (der so genannte Rubin-Kelch), das
Kippbild von der alte Hexe und der jungen Schönheit und andere
mehr. Die Bank/Wannen von „Baden verboten!“ erzeugen
in diesem Sinne spielerisch eine Unsicherheit, die sich zum einen
an ihnen selbst zeigt: Haben wir es mit Badewannen zu tun, die sich
nun als Sitzbänke generieren, oder mit Sitzbänken, die
sich jederzeit wieder zu Badewannen umstecken und zurückfalten
lassen? Zum anderen manifestiert sich Unsicherheit zwischen dem Titel „Baden
verboten!“ und den Bank/Wannen selbst: Wer käme auf die
Idee, auf einer Bank baden zu wollen? Da uns aber hier wie überall
der Archimedische Punkt abhanden gekommen ist, von dem aus man das
Ganze zu beurteilen oder zu vermessen vermöchte, so bestätigt
sich, dass man die zwei ins Kippbild eingelassenen Einzelbilder auch
niemals gleichzeitig zu sehen vermag. Trotz ihrer offensichtlichen
neu gewonnenen Funktionalität, ist die Bank/Wanne ein seltsames
Ding. Gibt sie doch zu denken. Und gerade die Verarbeitung eines
funktionalen Objekts zu einem neuen profanen und trivialen Allerwelts-Ding
unterstreicht: You have to know how to handle things ... to know
what a great thing is. Sätze, die bemerkenswerter Weise einmal
ein deutscher Denker aufzeichnete, den man nicht gerade nachsagen
kann, eine besondere Nähe zum Englischen gehegt zu haben.
Haben wir uns erst einmal gesetzt, hören wir allerdings auf
an der Stabilität der Bank/Wannen zu zweifeln. Sie kippen
nicht um.
In zwei von mehreren aufeinander folgenden Badezimmerszenen in
Jean-Luc Godards Film Le Mépris von 1963 sehen wir zuerst Michel Piccoli
(als Paul) und dann Brigitte Bardot (als Camille) in derselben Wanne
sitzen. Glauben wir Paul, wurde nicht einmal das Wasser ausgetauscht.
In der Badewanne raucht er Zigarre, trägt Hut und liest Zeitung.
Nach eigener Aussage möchte er Dean Martin in Some came running
gleichen. Camille, die eine schwarze Perücke überm blonden
Haar trägt, missfällt dies und sie vergleicht ihn mit einem
Esel aus einer Fabel. Als sie später selbst in der Wanne sitzt
(allerdings ohne Perücke und mit blondem Haar, das ausgesprochen
an das Brigitte Bardots erinnert), liest sie Luc Mouletts (selbst
Filmregisseur) eben erschienene Monografie über den Regisseur
Fritz Lang (der im Film Le Mépris Godards wiederum eine nicht
unwesentliche Rolle als Schauspieler spielt). Das einzige, was bei
all den Referenzen und Parallelisierungen, den unzähligen Querverweisen
auf kleinstem Raum unveränderlich bleibt, ist die Wanne.
Höchste Zeit also, dass einer kommt, das Wasser auskippt ...
und zum Trennschneider greift. Heureka!
Andreas Leopold Hofbauer
Berlin im Advent 2007